Toccata op. 7; Allegro op. 8; Carnaval op. 9; VI Etudes de Concert op. 10; Grande Sonate op. 11; Fantasiestücke op. 12; herausgegeben von Michael Beiche. 2018, 551 S. Mit Faksimile-Beiheft, 48 S.
Der Band vereint sechs Klavierwerke aus Schumanns früher Schaffensphase. Nach der Reifeprüfung im März 1828 nahm er Mitte Mai das Jurastudium in Leipzig auf; zugleich fing er wenige Monate später im August mit dem Klavierunterricht bei Friedrich Wieck an. Mitte Mai 1829 verließ Schumann Leipzig und traf am 21. Mai in Heidelberg zur Fortführung seines Studiums ein. Seine Beschäftigung bestand jedoch auch dort laut den Erinnerungen eines Studienfreund aus dieser Zeit hauptsächlich im Klavierspiel. In den Folgemonaten begann Schumann mit der ersten, seinerzeit noch mit Exercice betitelten Fassung der Toccata op. 7. Seiner Mutter teilte Schumann am 30. Juli 1830 den endgültigen Entschluss mit, Musiker werden zu wollen. Zwei Monate später reiste er aus Heidelberg ab und setzte nach seiner Rückkehr nach Leipzig am 20. Oktober den Klavierunterricht bei Wieck fort. Erst zu diesem Zeitpunkt scheint Schumannn eine Reinschrift der Exercice angefertigt zu haben. Die Neukonzeption, Ausarbeitung und Fertigstellung dieser Komposition, nun unter dem Titel Toccata, erfolgte erst von Ende September bis Weihnachten 1833. Im Dezember diesen Jahres begegnete ihm auch erstmals Ludwig Schunke, der spätere Widmungsträger.
Ende Dezember 1831 datieren Entwürfe zu einer Sonate dediée à [Ignaz] Moscheles. Über diese Sonate notierte Schumann Anfang Januar 1832 im Tagebuch, dass er darin sehr selig gewesen sei; und auch an Clara Wieck berichtete er Mitte des Monats noch von einer Sonate in H moll, die fertig sei, was aber nicht zutreffen dürfte. Denn für irgendeinen Kompositionsabschluss zu diesem Zeitpunkt gibt es keine Belege. Vielmehr ist schon Ende Januar nur noch von dem ersten Satz, einem Allegro die Rede, über dessen Herausgabe Schumann im Nachhinein äußerst selbstkritisch urteilte, dass er ihn nicht herausgeben hätte sollen.
Nachdem Schumann 1832 bereits sechs Studien nach den Capricci per Violino solo op. 1 von Nicolò Paganini bearbeitet hatte, fing er im Frühjahr 1833 mit der Ausarbeitung weiterer VI Etudes de Concert an, die lange nach ihrer Erstveröffentlichung mit der Opuszahl 10 belegt wurden und die im Gegensatz zu jenen in op. 3 veröffentlichten Studien nach Ansicht Schumanns den Eindruck einer selbstständigen Claviercomposition vermitteln sollten.
Wohl unmittelbar danach und nach den Impromptus op. 5 konzipierte Schumann zu einem großen Teil die Sonate in fis-Moll op. 11; die Komposition setzte er 1834 fort, ebenso wie er damals den Carnaval op. 9 begann, der bereits im Frühjahr des folgenden Jahres beendet wurde. Dagegen war die Arbeit an der fis-Moll-Sonate erst Mitte August 1835 so weit abgeschlossen, dass Schumann Clara Wieck ein Manuskript davon überlassen konnte, aus dem sie in der Folgezeit in privaten Kreisen vorspielte.
Als letztes Werk entstanden im Juli 1837 offenbar innerhalb weniger Tage die Fantasiestücke op. 12.
Bezüglich der Kompositionstitel für Schumanns frühe Klavierwerke fällt auf, dass nach ausschließlich französischen und einem italienischen Titel (bei op. 4) mit op. 11 und namentlich op. 12 (Fantasiestücke) erstmals zwei Kompositionen mit deutschen Titeln erscheinen, denen sich die im Januar 1838 publizierten Davidsbündlertänze op. 6 sowie die kurz danach komponierten Kinderszenen op. 15 anschließen.
Insgesamt gesehen handelt es sich bei bei den Opera 7–12 um ganz unterschiedliche Werke: erstens finden sich mit der Toccata op. 7 und den VI Etudes de Concert op. 10 (als Adaption Paganini’scher Kompositionen für das Klavier) Relikte eines vornehmlich virtuos ausgerichteten Klavierschaffens. Zweitens dokumentieren das Allegro op. 8 und die Sonate in fis-Moll op. 11 Schumanns Beschäftigung mit der Sonatenform, über die er sich auch theoretisch äußerte: zwar gebe es seiner Meinung nach noch immer keine würdigere Form als die Sonate, doch habe die Form ihren Lebenskreis durchlaufen. Als dritte Gattung sind Charakterstücke zu nennen, im Carnaval op. 9 mit solchen kürzeren Formats und in den Fantasiestücken op. 12 mit etwas länger ausgeführten Kompositionen. Darauf hob Schumann selbst in einem Brief von Ende Januar 1839 an Clara Wieck im Blick auf eine öffentliche Aufführung ab: Im Carnaval hebt immer ein Stück das andere auf. was nicht Alle vertragen können; in den Phantasiestüken kann man sich aber recht behaglich ausbreiten.
Alle Werke werden nach der jeweiligen Originalausgabe ediert, außer der Sonate op. 11, für die aufgrund verschiedener späterer Korrekturen Schumanns die Neuausgabe unter dem (jetzt französischen) Titel Grande Sonate maßgebend ist.
Zu den Fantasiestücken op. 12 ist eine bislang unbekannte Quelle, das so genannte Arbeitsmanuskript, dessen Existenz aufgrund einer anderen Quelle nur vermutet werden konnte, erst nach Redaktionsschluss aufgetaucht. Dem neuen Besitzer wie auch dem Londoner Auktionshaus Bonhams sei ein herzlicher Dank ausgesprochen für die Möglichkeit der Einsichtnahme in die überaus wichtige Quelle. Dadurch konnte sich der Herausgeber vergewissern, dass das Arbeitsmanuskript zwar innerhalb der Werkgenese ein bedeutsames Dokument darstellt, auf den edierten Notentext jedoch keine Auswirkungen hat.