Lieder in zwei Teilbänden (Teilband 1: Noten; Teilband 2: Kritischer Bericht)
Band 1: Liederkreis von H. Heine op. 24, herausgegeben von Tirza Cremer; Myrthen op. 25, herausgegeben von Christina Thomas; Drei Gedichte von Emanuel Geibel op. 30, herausgegeben von Tina Evers und Christina Thomas; 3 Balladen von Béranger und Chamisso op. 31; herausgegeben von Isabell Tentler
Liederkreis von H. Heine op. 24, Titelblatt der Originalausgabe, Handexemplar Schumanns, Robert-Schumann-Haus Zwickau, Archiv-Nr.: 4501,4–D1/A4
Aus der Einleitung:
Dieser Band der Neuen Ausgabe sämtlicher Werke enthält vier Opera aus Schumanns sogenanntem Liederjahr 1840. Von dieser überaus produktiven Auseinandersetzung mit dem Genre Lied, der einige der bekanntesten Liederzyklen und -sammlungen Schumanns entstammen, zeugen insbesondere die drei in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrten Liederbücher (Anhang R12–14 = Liederbuch I–III). Diese enthalten Manuskripte von 130 Vertonungen allein aus dem Liederjahr 1840 sowie 16 weitere aus den Jahren 1841–1847. Dabei handelt es sich zum einen um Arbeitsmanuskripte einzelner Lieder, die Schumann später in kleineren und größeren Sammlungen veröffentlichte, zum anderen um Opera, welche von vornherein als größere, zusammenhängende Sammlungen konzipiert waren, meist in Form von Gedichtvertonungen je eines Dichters.
Zu letzteren gehören drei der vier in diesem Band vorgelegten Werke: Liederkreis von Heinrich Heine op. 24, Drei Gedichte von Emanuel Geibel op. 30 und 3 Balladen von Pierre Jean de Béranger und Adelbert von Chamisso op. 31.
Der Liederkreis op. 24 ist das erste Vokalwerk, das Schumann in seinem Liederjahr 1840 veröffentlichte. Als Grundlage für die Vertonung diente ein speziell mit dem Begriff Lieder titulierter Zyklus von neun Gedichten aus dem Buch der Lieder von Heinrich Heine. Die Arbeitsmanuskripte zu allen neun Liedern entstanden innerhalb einer kurzen, aber intensiven Schaffensphase im Februar 1840. Nur zwei Tage, nachdem Schumann dem Verlag Breitkopf & Härtel den Liederzyklus vorgestellt hatte, hielt er bereits die Bestätigung zur Drucklegung und Herausgabe in Händen. Die Freude darüber brachte er seiner Verlobten Clara gegenüber zum Ausdruck: Meinen Heine’schen Liedercyklus drucken Härtels schon; ich freue mich darauf wie auf ein erstes Werk (SBE I/7, S. 165). Veröffentlicht wurde sein Erstlingswerk für Gesang im Mai 1840.
Von einem der Gründer des Musikverlags Bote & Bock persönlich um Lieder zur Inverlagnahme gebeten, bot Schumann jenem Anfang Juni 1840 schließlich einen zweiten Heine-Liederkreis an, aus dem später insbesondere die Dichterliebe op. 48 hervorging. Als noch sehr junger Musikverlag traute sich Bote & Bock die Herausgabe eines solchen umfangreichen Werks jedoch noch nicht zu und lehnte das Angebot Schumanns daher mit der Bitte um die gelegentliche Zusendung einer kleinere[n] Clavier-Composition (SBE III/6, S. 51) ab. Ende September sandte Schumann drei der insgesamt fünf Ende Juli/Anfang August entstandenen Vertonungen von Gedichten Emanuel Geibels zu. Das Erscheinen dieser Drei Gedichte op. 30 wurde offiziell erst im April 1841 angezeigt, obwohl der Komponist erste Freiexemplare der Originalausgabe bereits im Dezember 1840 erhielt.
Im Sommer 1838 schrieb Schumann an Clara Wieck: Ueberhaupt lies die Gedichte, wenn Du sie Dir verschaffen kannst; es ist auch Manches zur Musik. Schumann bezieht sich bei seiner Empfehlung auf die Gedichte von Adelbert von Chamisso. Dabei handelt es sich nicht um den ersten Nachweis seiner Beschäftigung mit dem Dichter. Bereits im Januar 1838 erhielt Schumann eine Vertonung eines Liedes von Louis Hetsch aus Chamissos Zyklus Lebens-Lieder und Bilder zugeschickt, die er als Redakteur der NZfM prüfen und bestenfalls in die Beilage zur Zeitschrift aufnehmen sollte. Im Juni 1839 übersandte ihn Hermann Hirschbach die Komposition Was soll ich sagen. Möglicherweise wurde hierdurch Schumanns Interesse an eigenen Gesangskompositionen geweckt, denn am 25. Februar 1840 vertonte er das erste von insge- samt 17 Gedichten Chamissos Was soll ich sagen op. 27/3. Im Zeitraum 11. bis 18. Juli 1840 folgten weitere 16 Gedichtvertonungen. Am 13. Juli entstanden Skizze und Arbeitsmanuskript zur ersten Nummer der 3 Balladen op. 31, Die Löwenbraut, am darauffolgenden Tag Skizzen und Arbeitsmanuskripte zur zweiten und dritten Nummer, Die Kartenlegerin und Die rothe Hanne. Bei den beiden letzten Nummern handelt es sich um Übertragungen Chamissos von Texten des französischen Dichters Pierre Jean de Béranger. Anfang Oktober 1840 fertigte Clara die Stichvorlage zu op. 31 an, womit sie erstmals als Kopistin ihres Mannes in Erscheinung trat. Kurz darauf übersandte Schumann die Vorlage an den Hamburger Verleger August Cranz, der sofort einer Veröffentlichung der drei Nummern in seinem Verlag zustimmte. Um Papier zu sparen, wollte Cranz die Reihenfolge der Lieder ändern, was Schumann resolut ablehnte. Offensichtlich waren im Gegensatz zu Schumann für Cranz die Lieder austauschbar und eigenständig. Diese Ansicht spiegeln auch die öffentlichen Aufführungen der 3 Balladen wider. Bei den Konzerten wurden nur einzelne Lieder, nie aber der gesamte Zyklus gegeben.
Die Myrthen op. 25 hingegen zählen zu den Werken, die Schumann nicht als Sammlung von Gedichtvertonungen eines einzelnen Dichters konzipierte sondern einen bunten Strauß von insgesamt 26 Textvorlagen auswählte. Neben Originaltexten von Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Friedrich Rückert, Julius Mosen und Eduard Mörike enthält die Sammlung auch Vertonungen nach bis hin zu neudichtender Vorlagen nach Robert Burns, Lord Byron, Catherine Maria Fanshawe und Thomas Moore. Zahlreiche verschiedene, teils nahezu zeitgleich erschienene Auflagen der insgesamt vier Hefte zeugen von der großen Verbreitung der Myrthen, die sicherlich auch durch den Umstand begünstigt wurde, daß Schumann dieses Werk – wie das lithographierte Vorsatzblatt des ersten Heftes der Myrthen verrät – Seiner geliebten Braut Clara widmete, die ein aufwendig gestaltetes Prachtexemplar von op. 25 am Vorabend der Trauung des Paares erhielt. Neben diesem Prachtexemplar sind einige weitere Widmungsexemplare von op. 25 nachweisbar, die besonderen Hochzeitsgästen wie Mariane Bargiel oder Ernst Adolph Becker überreicht wurden. Darüber hinaus sandte Schumann einige Exemplare der Myrthen offenbar gezielt an unterschiedliche Persönlichkeiten und Musikschriftsteller, um in der Öffentlichkeit nun auch als Liedkomponist deutlicher in Erscheinung zu treten.