Serie I / Werkgruppe 2 / Band 1: Klavierkonzert a-Moll op. 54, herausgegeben von Bernhard R. Appel
Ungeachtet seiner weltweiten Bekanntheit und Popularität, die in zahllosen öffentlichen Aufführungen, Einspielungen, Partiturausgaben und Bearbeitungen sowie in Rezensionen, kritischen, analytischen und sonstigen wissenschaftlichen Abhandlungen zum Ausdruck kommt, ist Schumanns Klavierkonzert op. 54 in werkgenetischer und philologischer Hinsicht partiell noch immer und auch weiterhin ein opus incognitum. Anliegen der vorliegenden Ausgabe ist es nicht nur, einen kritischen Werktext bereitzustellen und die gegenwärtige Quellenlage zu erhellen, sondern zugleich aufzuzeigen, an welche Detailfragen die zukünftige Forschung anzuknüpfen hat. Anhand der dürftigen Quellenüberlieferung – wir kennen nur die teilautographe Partitur und den autorisierten Stimmenerstdruck – läßt sich die verwickelte Werkgenese, die sich von 1841 bis 1853 erstreckt, nur ansatzweise klären. Die ungedruckt gebliebene und auch nur privat aufgeführte einsätzige Phantasie-Fassung (Leipzig 1841/43) wurde 1845 in Dresden um zwei Sätze erweitert und die Phantasie zum Ropfsatz des nunmehr dreisätzigen Konzerts umgearbeitet. Zu Schumanns Lebzeiten erschien lediglich ein Stimmendruck bei Breitkopf &Härtel in Leipzig (1846). Im Gefolge der Düsseldorfer Aufführung des Klavierkonzerts unter Schumanns Leitung mit Clara als Solistin (17. Mai 1853) erfolgte die letzte Revision des Werks.
Es sind vor allem drei Fragenkreise, die noch auf Antworten warten. Zum einen ist die entstehungsgeschichtliche Relation zwischen der einsätzigen Phantasie- (1841) und der dreisätzigen Konzert-Fassung, (1845/53) noch immer auf Hypothesen angewiesen. Daß sich die Phantasie-Fassung auf der gegenwärtig schmalen Quellenbasis nicht rekonstruieren läßt, wird im Kapitel Werkgeschichte dargelegt.
Die zweite Frage bezieht sich auf die Überleitung zwischen dem zweiten und dritten Konzertsatz. Obwohl sich das Spektrum der unterschiedlichen Konzeptionen – es reicht von der strikten Satztrennung über variante Verbindungsformen bis hin zur uns vertrauten genialen Satzbrücke – relativ klar erkennen läßt (siehe Anhang), ist die Datierung der varianten Lösungen noch ebenso offen wie die Frage, ob Schumann einzelne Lösungsversuche in Dresden und Leipzig aufführungspraktisch erprobt hat. Nur von neuen Quellenfunden wäre eine Klärung dieser Probleme zu erwarten.
Der dritte Fragenkomplex bezieht sich auf die Fassung letzter Hand. 1853, sieben Jahre nach Erscheinen der Stimmen (1846), revidierte Schumann in Düsseldorf das Werk letztmalig. Diese kritische Durchsicht bezieht sich nicht nur auf Stichfehlerkorrekturen der Stimmenerstdrucke, sondern – wichtiger noch – auf kleinere Instrumentationsänderungen, die allerdings bislang in keiner Quelle dingfest gemacht werden konnten.