Serie I / Werkgruppe l / Band 5: Ouverture, Scherzo und Finale, hg. von Sonja Gerlach unter Mitarbeit von Matthias Wendt
(Aus dem Vorwort:)
Die Ouverture war zunächst als eigenständige Komposition konzipiert; erst nach ihrer Instrumentierung skizzierte Schumann Scherzo und Finale. Der Versuch, dem Werk einen alle Sätze umfassenden Titel zu geben, scheiterte. In den Dokumenten erscheinen zwar gelegentlich die Bezeichnungen Suite und Symphon(i)ette , doch keine davon gelangte an die Öffentlichkeit. Gelegentlich wurde das Werk auch als Symphonie bezeichnet, doch hatte Schumann seinem op. 52 wohl nie ernsthaft den Rang einer Symphonie zugebilligt. Publikum und Rezensenten jedoch verglichen op. 52 zunächst zwangsläufig mit der vorangegangenen erfolgreichen B-Dur-Symphonie op. 38 – was dem Werk gelegentlich zum Nachteil gereichte. Denn was Ausgestaltung und Gewichtigkeit anbelangt, ist op. 52 den Symphonien unterlegen. Auch in der Besetzung zeigt sich ein kleiner Unterschied, denn schon die Urfassung von op. 38 war mit vier statt zwei Hörnern und mit drei obligaten Posaunen ausgestattet. In einem Brief vom 20. Oktober 1847 differenziert Schumann auch die Besetzungsstärke: „Die Symphonien verlangen ein starkbesetztes Orchester (zum mindesten 8 erst. Viol.[)]; Ouvertüre, Scherzo u[nd] Finale ist leichter“. In der alten Gesamtausgabe (AGA) wurde op. 52 zu den Ouvertüren gestellt. Auch dies ist ein Kompromiß, denn die dreisätzige Anlage (mit einer Ouverture als Eingangssatz) widerspricht formal einer solchen Zuordnung. Selbstverständlich nahm Schumann op. 52 auch nicht in seinen Cyklus der Ouverturen auf, den er in den 1850er Jahren ins Leben rief . In der vorliegenden Neuen Gesamtausgabe (RSA) wird op. 52 in Ermanglung einer eigenständigen Gattung den Symphonien beigesellt. Whistling, dessen Klassifizierung von 1851 Schumanns Willen entsprechen dürfte, kennt nur die Rubrik „Für Orchester“, unter der sich alles zwanglos zusammenfindet.
Schumanns eigenhändige Partitur spiegelt – wenn auch mit Lücken – die Kompositionsgeschichte des Werks von der ersten Instrumentierung im Frühjahr 1841 bis zu den letzten Retuschen im Jahre 1853. Deshalb wird im vorliegenden Band neben der gültigen Partitur, die Schumanns Fassung letzter Hand darstellt, auch eine zusammenfassende Partitur der verschiedenen Vorstadien und Varianten von 1841 veröffentlicht. Schon während des Kompositionsprozesses im Frühjahr 1841 begann Schumann, sein Manuskript zu korrigieren. Insbesondere änderte er die Viola an den Stellen, an denen sie zuerst den Bläsersatz unterstützen sollte. Ferner reduzierte er das übermäßig intrikate doppelte Echo in T. 98 ff. der Ouverture auf ein einfaches Echo . Bei Schumanns erster durchgreifender Revision im Herbst 1841 standen ebenfalls Änderungen der Instrumentierung im Vordergrund. Nach und nach opferte Schumann auch die allzu subtilen Pizzicato-Stellen oder Piano-Schlußbildungen zugunsten einer mehr auf orchestrale Wirkung abgestimmten Instrumentenführung und flächenhafteren Dynamik. Hierzu gehört die Eliminierung des auskomponierten Ritardando aus der Urfassung von T. 105-108 und 234-237 der Ouverture. Im Scherzo gab es Verschiebungen der Proportionen, zum einen durch den Wegfall der Wiederholung von T. 9-55, zum anderen durch Ergänzung des Taktes 72 und Entfernen eines sehr ähnlichen Taktes nach T. 46. Als es Schumann nicht gelang, Ouverture, Scherzo und Finale an einen Verleger zu verkaufen, nahm er 1845 eine weitere gründliche Revision des Werks vor. Beim Finale führte das zu einer vollständigen Neuschrift der autographen Partitur. Von der Urfassung dieses Satzes sind nur noch die ersten Takte erhalten; sie lassen geänderte Proportionen in den Einleitungstakten erkennen und zeigen, daß Schumann ursprünglich nur eine statt der drei Ad-libitum-Posaunen vorgesehen hatte. Gewichtige musikalische Änderungen gab es 1845 noch in der langsamen Einleitung der Ouverture und in den Schlüssen von Ouverture und Scherzo.
In der 1845 erreichten Form (mit Retuschen, die noch in das Jahr 1846 fallen) wurde op. 52 Ende 1846 in Stimmen veröffentlicht. Dieses Stadium stellt eigentlich die Hauptfassung des Werks dar. Zwar gab es im Jahre 1853 anläßlich der Vorbereitung der Partiturausgabe noch letzte kleine Verbesserungen, doch wurden lediglich einzelne Noten geändert. Auch in der Vortragsbezeichnung gab es nur unwesentliche Zusätze oder Änderungen . Somit unterscheidet sich die hier vorgelegte Fassung letzter Hand nur unwesentlich von der 1846 veröffentlichten Fassung.