Serie IV / Werkgruppe 3 / Band 3, Teilband 1: Le psaume cent cinquantième WoO, herausgegeben von Matthias Wendt, und Verzweifle nicht im Schmerzensthal op. 93, herausgegeben von Brigitte Kohnz und Matthias Wendt
Im vorliegenden Band der RSA sind zwei Werke vereint, die – obwohl aus völlig unterschiedlichen kompositorischen Entwicklungsstufen stammend – ein entscheidendes Detail gemeinsam haben: Beide Kompositionen sind in ihrer (end-)gültigen, hier vorgelegten Fassung authentisch nur im Manuskript überliefert und nicht von Schumann zum Druck gebracht worden. Wobei Le psaume cent cinquantième [= 150. Psalm], Schumanns früheste überlieferte Komposition, vom Komponisten wohl niemals wirklich zur Publikation vorgesehen war, auch wenn er als elf- oder zwölfjähriger Junge spielerisch eine fingierte Verlagsangabe auf dem handschriftlichen Titelblatt angebracht hat. Schumanns Motette Verzweifle nicht im Schmerzensthal op. 93 dagegen liegt zwar in einer authentischen Druckfassung vor, doch umfaßt diese nur die Vokalstimmen mit ad-libitum-Orgelbegleitung von 1850, die erst später ausgearbeitete Orchesterfassung hingegen blieb zu Lebzeiten Schumanns ungedruckt, obwohl sie vermutlich handschriftlich vertrieben wurde. Es fehlt demnach beiden Werken ausnahmsweise jener letzte prüfende Blick, den Schumann im Zuge einer Drucklegung seinen Werken zu schenken pflegte, es fehlen aber auch die dabei üblichen, vom Verlagshaus angebrachten und durch Schumann autorisierten normalisierenden Fremdeingriffe von Stecher und Verleger. Dieser Sachverhalt hat verschiedene Konsequenzen für die vorliegende Publikation. Im Falle des Verzweifle nicht op. 93 handelt es sich eher um Marginalien, so fehlen in Schumanns Autograph zeittypisch in der Regel die Artikulationsangaben zu den zweiten Bläsern, die bei Vorliegen gedruckter Stimmen von dort hätten übernommen werden können, so aber vom Herausgeber ergänzt wurden (siehe Revisionsbericht). Auch ist die Positionierung und Geltungsdauer dynamischer und artikulatorischer Zeichen bei Handschriften nicht ganz so exakt geregelt wie in gedruckten Quellen üblich.
Im Falle des Psalms lag die Problematik woanders: Im Prinzip handelt es sich bei der überlieferten Quelle, Schumanns Partiturautograph, um die Verschriftung einer so nicht aufführbaren Fassung: Die Singstimme übersteigt sehr häufig den Ambitus eines Knabensoprans (exemplarisch schon gleich beim Eingangsthema). Hier hätte man korrigierend und transponierend eingreifen können, wodurch aber gleichzeitig das in der Quelle deutlich sichtbare Unfertigsein dieses ersten Kompositionsversuchs durch die Edition aufgehoben, die fehlende kompositorische Erfahrung Schumanns vertuscht und das Werk somit verfälscht würde. Eingegriffen wurde daher nur dort, wo die Quelle in sich widersprüchlich ist oder als fehlerhaft erkennbar war, dies betrifft insbesondere Schumanns augenfällige Unsicherheit und Eigentümlichkeit bei der Verwendung von Hilfslinien. Derartige Eingriffe wurden stets durch *)-Fußnote gekennzeichnet, was, bei der Menge der Korrigenda, zu einer gewissen Häufung solcher Hinweise geführt hat.
Schumann sah für den Psalm ursprünglich auch eine Hornpartie vor, die er aber später (nahezu) komplett wieder durchgestrichen hat; ein Abdruck dieser Partie erscheint im Anhang zum Hauptnotenteil.